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Kirchengericht:Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche)
Entscheidungsform:Urteil [Beschluss] vom 14.07.2015 (rechtskräftig)
Datum:14.07.2015
Aktenzeichen:XIII 102/09-163
Rechtsgrundlage:§ 10 VuVGG (Gesetz über das Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche der Pfalz - Protestantische Landeskirche -), § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung), § 69 Satz 1 KV (Kirchenverfassung), § 36 Satz 1, § 66 WO (Wahlordnung), Nr. 59 Abs. 2 WODV (Durchführungsverordnung zur Wahlordnung), § 16 Abs.1 WahlPrG (Wahlprüfungsgesetz)
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Eilentscheidung durch den Vorsitzenden des Gerichts; Feststellung der vorläufigen Berechtigung eines zum Landessynodalen Gewählten, das Synodalamt wahrzunehmen, wenn die Wahl angefochten wurde, der Ausgang des Wahlprüfungsverfahrens aber zumindest offen ist
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Leitsatz:

  1. § 66 Satz 2 i.V.m. § 36 Satz 1 WO und Nr. 59 Abs. 2 WODV, wonach ein Landessynodaler, dessen Wahl angefochten wurde, erst nach dem unanfechtbaren Abschluss des Wahlprüfungsverfahrens in sein Amt eingeführt werden darf, dient der Ordnungsmäßigkeit der Wahl der Landessynodalen, der Integrität der Landessynode als des aus dieser Wahl hervorgehenden Organs und der Legitimität seiner Beschlüsse. Im Hinblick auf den gegenläufigen, ebenfalls bedeutsamen Belang der Wahlbestandssicherung, dessen Schutzgüter die Funktionsfähigkeit gewählter Organe und die Interessen der gewählten Mandats- oder Amtsinhaber sind, ist diese Regelung allerdings einschränkend auszulegen. Ist der Ausgang eines anhängigen Wahlprüfungsverfahren offen oder der Einspruch gegen die Wahl gar mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ohne Aussicht auf Erfolg, ist der Gewählte bis zur unanfechtbaren Entscheidung über diesen Einspruch vorläufig berechtigt, das Synodalamt wahrzunehmen.
  2. Zur Zulässigkeit einer entsprechenden Feststellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass der Antragsteller vorläufig berechtigt ist, an den Sitzungen der künftigen Landessynode teilzunehmen und nach seiner Verpflichtung auf das Amt des Landessynodalen dieses Amt wahrzunehmen, bis über den Einspruch gegen seine Wahl zum Landessynodalen unanfechtbar entschieden worden ist.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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Gründe:

Das Begehren des Antragstellers, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn zur Teilnahme an den Tagungen der Landessynode, insbesondere der konstituierenden Tagung vom 16. bis zum 18. Juli 2015, als Landessynodalen vorläufig zuzulassen, ist gemäß § 10 VuVGG i. V. m. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässig.
Es ist in sachdienlicher Weise dahingehend zu fassen, dass die vorläufige Berechtigung des Antragstellers festgestellt werden möge, an den Sitzungen der künftigen Landessynode teilzunehmen und nach seiner Verpflichtung auf das Amt des Landessynodalen dieses Amt wahrzunehmen, bis über den Einspruch gegen seine Wahl zum Landessynodalen unanfechtbar entschieden worden ist. Denn ein Verpflichtungsausspruch auf eine vorläufige Zulassung scheidet gegenwärtig aus, weil sich die Landessynode als das Organ, das allein zuständig wäre, eine solche Zulassungsentscheidung zu treffen, nach der Wahl der jetzigen Landessynodalen und dem damit verbundenen Erlöschen des Amts der bisherigen Landessynodalen noch nicht neu konstituiert hat (vgl. § 69 Satz 1, 2 Halbsatz KV). Die hiernach allein in Betracht zu ziehende gerichtliche Feststellung ist dem Verfahren des § 123 VwGO nicht fremd (vgl. Kopp, VwGO, Kommentar, 17. Aufl. Rn. 9 a. E. m. N. aus der Rspr.).
Es liegt auch das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse des Antragstellers an einer solchen Feststellung vor. Der Landeskirchenrat hat dem Antragsteller die Entscheidung der Kirchenregierung über die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Einspruchs gegen seine Wahl zum Landessynodalen zur Kenntnis gegeben und ihm zugleich mitgeteilt, dass er trotz der Erfolglosigkeit der Beschwerde gemäß § 66 Satz 2 i. V. m. § 36 Satz 1 der Wahlordnung - WO - und Nr. 59 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zur Wahlordnung - WODV - vom 30. Januar 2008 (ABl. S. 30) vor der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Wahlanfechtung, die - soweit ersichtlich - nicht vor dem 10. August 2015 eintreten wird, nicht in das Amt des Landessynodalen eingeführt werden dürfe und deshalb nicht zu der von der Kirchenregierung auf den 16. bis 18. Juli 2015 anberaumten konstituierenden Sitzung der neuen Landessynode geladen werde. Angesichts dessen ist es dem Antragsteller nicht zuzumuten, gleichwohl zur Sitzung am 16. Juli 2015 zu erscheinen und dort eine Entscheidung der Landessynode über seine vorläufige Zulassung herbeizuführen. Nähme er demgemäß bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Einspruch gegen seine Wahl zum Landessynodalen an dieser und weiteren Sitzungen der Landessynode nicht teil, auch wenn er zur Teilnahme berechtigt sein sollte, würde er ein ihm zustehendes, kirchenverfassungsrechtlich besonders bedeutsames Amt gegen seinen Willen aus Gründen, die nicht von ihm zu vertreten sind, nicht wahrnehmen. Darin läge ein wesentlicher Nachteil im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, den abzuwenden die beantragte gerichtliche Feststellung geeignet ist.
Der Antrag ist begründet. Dem Antragsteller steht nach Auffassung des beschließenden Gerichts ein vorläufiger Anspruch darauf zu, an den Sitzungen der künftigen Landessynode teilzunehmen und nach seiner Verpflichtung auf das Amt des Landessynodalen dieses Amt wahrzunehmen, bis über den Einspruch gegen seine Wahl zum Landessynodalen unanfechtbar entschieden worden ist.
Zwar weist der Landeskirchenrat zu Recht auf die Regelung des § 66 Satz 2 i. V. m. § 36 Satz 1 WO und Nr. 59 Abs. 2 WODV hin, deren Wortlaut eindeutig ist und deren Sinn und Zweck - die Sicherung einer ordnungsgemäßen Wahl der Landessynodalen, der Integrität der Landessynode als des aus dieser Wahl hervorgehenden Organs und der Legitimität seiner Beschlüsse - dem wesentlichen Anliegen der Wahlprüfung entspricht. Andererseits ist im staatlichen Recht als gegenläufiger Belang von grundlegender Bedeutung der Gesichtspunkt der Wahlbestandssicherung anerkannt. Er schützt die Funktionsfähigkeit demokratisch gewählter Organe und die Interessen der gewählten Mandats- oder Amtsinhaber (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001 - 2 BvF 1/00 -, BVerfGE 102, 111 Rn. 88). Dementsprechend ist im Bundes- wie im Landesrecht durchweg vorgesehen, dass der Inhaber eines auf einer Wahl beruhenden Mandats oder Amtes alle seine Rechte und Pflichten während eines laufenden Wahlprüfungsverfahrens bis zur unanfechtbaren Feststellung der Ungültigkeit seiner Wahl behält (vgl. z. B. für die Wahl zum Deutschen Bundestag: § 16 Abs. 1 Wahlprüfungsgesetz, für den Bereich der Wahl zu kommunalen Vertretungskörperschaften im Land Rheinland-Pfalz: OVG RP, Beschluss vom 8. März 1995 - 7 B 10556/95 -, juris Rn. 16 und 22, für den Bereich von Wahlen durch die kommunale Vertretungskörperschaft in Rheinland-Pfalz: Gabler u. a.: Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar, § 43 Gemeindeordnung, Nr. 2 a. E. sowie für den Bereich von Hochschulwahlen: OVG NRW, Beschluss vom 23. November 2011 - 15 B 1427/11 -, juris, Rn. 6) und Entscheidungen, an denen er mitgewirkt hat, unabhängig vom Ausgang des Wahlprüfungsverfahrens wirksam bleiben.
Demgegenüber lässt die Regelung des § 66 Satz 2 i. V. m. § 36 Satz 1 WO und Nr. 59 Abs. 2 WODV dem Gesichtspunkt der Wahlbestandssicherung und den hinter ihm stehenden Interessen nur wenig Raum. Sie beschwört damit die Gefahr der Funktionsbeeinträchtigung oder gar Funktionsunfähigkeit der Landessynode z. B. für den Fall herauf, dass in mehreren Kirchenbezirken gegen die Wahl von Landessynodalen eine größere Zahl von Einsprüchen eingelegt wird. Dies erfordert eine einschränkende Auslegung der Regelung dahingehend, dass nur in Fällen, in denen der Erfolg eines Einspruchs gegen eine Wahl überwiegend wahrscheinlich ist, eine Teilnahme des Gewählten an den Sitzungen der Landessynode und eine Verpflichtung auf sein Amt vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Einspruch ausgeschlossen ist. Demgegenüber ist in allen anderen Fällen, in denen der Ausgang des Wahlprüfungsverfahrens offen oder der Einspruch gar als offensichtlich unbegründet erscheint, eine vorläufige Teilnahme des Gewählten an Sitzungen der Landessynode und eine Wahrnehmung des Amts des Landessynodalen bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Einspruch gegen seine Wahl nach entsprechender Verpflichtung hingegen zulässig. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Ein Erfolg des Beigeladenen in einem Klageverfahren erscheint nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht überwiegend wahrscheinlich. Hinsichtlich der mit Schreiben vom 31. Mai 2015 erhobenen, am 2. Juni 2015 - und damit rechtzeitig - bei der Antragsgegnerin eingegangenen Rügen dürfte aus den Gründen des Bescheides vom 16. Juni 2015 und des Beschwerdebescheides vom 8. Juli 2015 mehr für eine Unbegründetheit sprechen. Ob die späteren, nach dem Ablauf der Wochenfrist des § 66 Satz 1 WO vorgebrachten Rügen überhaupt in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Klage gemacht werden können und gegebenenfalls durchgreifen, kann allenfalls als offen angesehen werden. Entsprechendes gilt für die von der Antragsgegnerin von Amts wegen zum Gegenstand der Prüfung gemachten Gesichtspunkte.
Der Antragsteller ist deshalb vorläufig berechtigt, an den Sitzungen der künftigen Landessynode teilzunehmen und nach seiner Verpflichtung auf das Amt des Landessynodalen dieses Amt wahrzunehmen, bis über den Einspruch gegen seine Wahl zum Landessynodalen unanfechtbar entschieden worden ist. Sollte die Entscheidung der Antragsgegnerin, mit der die Wirksamkeit der Wahl des Antragstellers zum Landessynodalen festgestellt worden ist, Bestand behalten könnte er sein Amt ohne Weiteres endgültig ausüben. Hätte der Beigeladene mit einer Klage gegen die Wahlprüfungsentscheidung der Antragsgegnerin hingegen Erfolg, würde der Antragsteller seine vorläufige Rechtsstellung und ein Amt, in das er gegebenenfalls von der Landessynode gewählt wurde und das an die Mitgliedschaft in der Landessynode geknüpft ist, wieder verlieren.
Der Antrag konnte daher nicht ohne Erfolg bleiben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 24 Abs. 1 VuVGG) und den Beteiligten mangels anwaltlicher Vertretung im Verfahren ins Gewicht fallende Kosten nicht entstanden sind.