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Kirchengericht:Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche)
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:24.04.2004
Aktenzeichen:XIII 102/09-152
Rechtsgrundlage:§ 106 KV (Verfassung der Evangelischen Kirche der Pfalz - Protestantische Landeskirche -), § 4 Abs. 1 und 2 VuVGG (Gesetz über das Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche der Pfalz - Protestantische Landeskirche -)
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Verfolgung organschaftlicher Rechte des Mitglieds eines Presbyteriums durch einen ehemaligen Presbyter
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Leitsatz:

  1. Einem Kläger, der eine Verletzung ihm als Presbyter zustehender organschaftlicher Rechte geltend macht, fehlt es an einem rechtlich schützenswerten Interesse an einer Sachentscheidung, wenn er im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr dem Presbyterium angehört.
  2. In einem solchen Fall ist die Klage auch dann als unzulässig abzuweisen, wenn ihr ein Beschwerdeverfahren vorausgegangen ist, in dem die Kirchenregierung eine Sachentscheidung getroffen hat. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, wonach in einem Vorverfahren trotz einer verspäteten Einlegung des Rechtsbehelfs nach Ermessen in der Sache entschieden werden darf und die in einer solchen Entscheidung liegende Disposition der Rechtsbehelfsbehörde über eine Sachentscheidungsvoraussetzung das Gericht in einem nachfolgenden Klageverfahren bindet, ist auf die Sachentscheidungsvoraussetzung des Rechtsschutzinteresses nicht übertragbar.

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Tatbestand:

Der Kläger war Mitglied des zweitbeklagten Presbyteriums der Kirchengemeinde B. Seit der Einführung der zu Beginn des Kirchenjahres 2002/2003 gewählten Presbyterinnen und Presbyter in ihr Amt gehört er dem Presbyterium nicht mehr an. Er wendet sich gegen Beschlüsse, die am ... in einer gemeinsamen Sitzung des Zweitbeklagten und des Presbyteriums der Kirchengemeinde C gefasst wurden.
Die Beschlüsse betreffen die Vergabe von Aufträgen zur Sanierung des Pfarrhauses beider Kirchengemeinden in B. Der Kläger macht geltend: Die Beschlussfassung hätte nicht in einer gemeinsamen Sitzung beider Presbyterien erfolgen dürfen. Außerdem seien die Vergabeentscheidungen zu Unrecht in öffentlicher Sitzung getroffenen worden. Darüber hinaus sei gegen § 7 der Geschäftsordnung der Presbyterien verstoßen worden, weil an der Beratung und Beschlussfassung das von der Sanierung betroffene Pfarrerehepaar und der Presbyter D mitgewirkt hätten; wegen persönlicher Beteiligung am Verhandlungsgegenstand hätten diese von einer Mitwirkung Abstand nehmen müssen. Schließlich seien die gefassten Beschlüsse rechtswidrig, weil die Bauausschüsse der Presbyterien die Substanz des Pfarrhauses nicht begutachtet hätten.
Mit Schreiben vom ... und vom ... erhob der Kläger gegen die Beschlüsse Einspruch, der von den Presbyterien zurückgewiesen wurde. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde vom Landeskirchenrat unter dem ... zurückgewiesen. Auch die Beschwerde des Klägers gegen die Entscheidung des Landeskirchenrats blieb erfolglos. Sie wurde durch die synodalen Mitglieder der Kirchenregierung mit Beschwerdebescheid vom ..., den Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am ..., als teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet zurückgewiesen.
Am ... hat der Kläger gegen die Beklagte zu 1. und den Beklagten zu 2. Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen im Beschwerdeverfahren. Bedenken gegen die Zulässigkeit seiner Klage tritt er unter Bezugnahme auf § 106 der Kirchenverfassung sowie mit Hinweis darauf entgegen, dass die Kirchenregierung seine Beschwerde im Wesentlichen als unbegründet, nicht aber als unzulässig zurückgewiesen habe.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 1. zurückgenommen. Er beantragt nunmehr,
unter Aufhebung des Bescheides des Landeskirchenrats vom ... und des Beschwerdebescheids der Kirchenregierung vom ... festzustellen, dass die Beschlüsse des Beklagten zu 2. über die Vergabe von Aufträgen zur Sanierung des Pfarrhauses in B vom ... und in der Folgezeit rechtswidrig gewesen sind.
Der Beklagte zu 2. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Presbyterium für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:

Die aufrechterhaltene Klage gegen den Beklagten zu 2. ist unzulässig.
Der Kläger macht gegen den Beklagten zu 2. - jedenfalls der Sache nach - eine Verletzung ihm als Presbyter zustehender organschaftlicher Rechte geltend. Eine Entscheidung über diese Behauptung könnte für ihn rechtlich erhebliche Schutzwirkungen indes nur dann entfalten, wenn er im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch dem Presbyterium angehörte. Anderenfalls liefe die dem Gericht angesonnene rechtliche Prüfung auf eine bloße Kontrolle objektiven Rechts hinaus. Ein schützenswertes rechtliches Interesse an einer solchen Kontrolle steht dem Kläger nicht zu. Das zeigen unmissverständlich die Regelungen des § 4 Abs. 1 und Abs. 2 VuVVG, die dem erkennenden Gericht den Schutz subjektiver Rechte zur Aufgabe machen. Die Vorschrift des § 106 KV, auf die sich der Kläger beruft, steht hierzu nicht in Widerspruch. Denn sie regelt lediglich nähere Einzelheiten des Rechts der Beschwerde gegen kirchliche Entscheidungen. Im kirchlichen Recht gilt danach nichts anderes als im staatlichen Recht, wo allgemein anerkannt ist, dass der Erfolg eines Kommunalverfassungsstreits, der von dem Mitglied eines Gemeinderats angestrengt wird, voraussetzt, dass der Betreffende diesem Organ noch angehört und eine Verletzung eigener Rechte geltend macht (BayVGH, BayVBl 1995, 661; OVG Saarland, AS 20, 177 und 21, 366; ferner: OVG Münster NVWZ-RR 2002, 135 und Ehlers NVwZ 1990, 105, 11). Soweit das Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz zu § 43 a.F. (nunmehr § 45) der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung die Auffassung vertreten hat, dem Mitglied eines Gemeinderats, das gegen diesen Klage wegen angeblicher Fehlerhaftigkeit eines Wahlakts erhoben hat, stehe das Recht zu, das Verfahren auch nach der Beendigung seiner Zugehörigkeit zum Gemeinderat fortzuführen, beruht dies darauf, dass dem Betreffenden insoweit die Stellung eines "Sachwalters der Allgemeinheit" zuerkannt wurde (AS 9, 335, 341 und 11, 22, 23 f.). An dieser Rechtsprechung hat das Oberverwaltungsgericht im Übrigen nicht festgehalten (Urteil vom 15. Oktober 1985 - 7 A 33/85).
Über die nach alledem unzulässige Klage ist auch nicht deshalb in der Sache zu entscheiden, weil die Kirchenregierung die Beschwerde des Klägers gegen den Bescheid des Landeskirchenrats vom ... nicht in seiner Gesamtheit als unzulässig verworfen, sondern in wesentlicher Hinsicht (nur) als unbegründet zurückgewiesen hat. Zwar gehen die staatlichen Gerichte allgemein davon aus, dass die Widerspruchsbehörde einen verspäteten Widerspruch nach Ermessen in der Sache bescheiden kann und die hierin liegende Disposition über die Widerspruchsfrist das Gericht in einem nachfolgenden Rechtsstreit bindet. Für die Sachentscheidungsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses gilt dies jedoch nicht. Ob ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist oder fehlt, ist im gerichtlichen Verfahren eigenständig zu prüfen. Fehlt es, ist die Klage als unzulässig abzuweisen, gleichgültig ob im Vorverfahren eine materiellrechtliche Entscheidung getroffen wurde oder nicht.
Die Klage musste daher ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 10 GVVG i.V.m. § 155 Abs.2 VwGO, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, und im Übrigen auf § 10 GVVG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
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Beschluss

Das Verfahren wird eingestellt, soweit es sich gegen die Beklagte zu 1. richtet.
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Gründe

Da der Kläger vor der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, er nehme die Klage gegen die Beklagte zu 1. zurück, ist das Verfahren insoweit einzustellen (§ 10 GVVG i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Die aus der Rücknahme folgende Pflicht zur Kostentragung (§ 155 Abs. 2 VwGO) hat in der Kostenentscheidung, die das Gericht im Urteil über die aufrechterhaltene Klage gegen den Beklagten zu 2. einheitlich für das gesamte Verfahren getroffen hat, Berücksichtigung gefunden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO).